Erwin, der rauchende Affe
Heute erzähle ich euch eine Geschichte, wie man dauernd und ununterbrochen etwas macht und macht und produziert, und nicht weiß wohin zum Henker es führen soll.
Im vierten Semester meines Designstudiums gestalteten wir im Rahmen eines Kurses unter anderem eine Ausstellung in der Asklepios Klinik Hamburg. Der Anfang war klar, das Ziel war ebenfalls klar. Wir hatten das Kursprogramm und am Ende des Kurses sollte die Ausstellung feststehen. Ich sah mir die Räume vorher an. Sie waren RIIIIIIIESIG. Es ist ein fucking Krankenhaus. Vielleicht hat das Krankenhaus einen Mangel an Zimmern, aber gewiss nicht an Fluren, Gängen und entsprechenden Wänden. Ratet mal, was der Kurs machte. Ein bisschen zu wenig von dem, was später ausgestellt werden sollte, fand ich. Nie wieder habe ich eine vergleichbare Verantwortung in solchen Dimensionen gespürt, aber in dem Ausbildungsstand schon. Ich begann wie wild zu malen.
Ich führte zu der Zeit viele Skizzenbücher, Motive waren also zuhauf da. Ich übertrug sie auf Leinwand und ergänzte sie noch um passende Motive. Jeden Abend malte ich parallel mehrere Bilder (macht man eigentlich generell so, wegen der Trocknungszeiten) und motivierte mich mit dem Gedanken, hab doch Spaß dabei, du wirst später nie wieder malen. Grafikdesign hat nichts mit Malerei zu tun wie ihr wisst. Ein Motiv davon war ein dominant im Sessel sitzender Affe, der in einem Bademantel dunkel nach vorne schaute und lasziv mit seinem Fuß rauchte. Jeder, wie er kann.

Es kam endlich der Tag des Aufbaus und ich war nur froh die Sachen abgeliefert zu haben. In Gedanken war dieses Kapitel für mich abgeschlossen. Ich arbeitete an meiner Website, paar Aufträge hatte ich auch schon. Es hörte nicht auf etwas da zu sein, was erledigt werden sollte. Auch wenn es nur Sorgen waren, wie ich diese fucking Privatschule weiter finanzieren sollte. Eines morgens fing mich der Dozent vor der Schule ab. Es interessiert sich jemand für zwei deiner Bilder. Ach, welche denn? Der Affe und das Testbild.
Das Testbild ist auch so ein Lieblingsmotiv von mir. Die Älteren erinnern sich vielleicht: Nachts wurde früher kein Fernsehprogramm gesendet, sondern eine Maske mit Kalibrierung für Farben aufgezogen. Das Motiv finde ich sowohl grafisch schön, als auch seine Bedeutung: Ruhe im Karton. Es ist eine liebevolle Vorstellung, dass nachts alles zur Ruhe kommt: Menschen, Gedanken, Sorgen. Alles auf den nächsten Tag verschoben, jetzt wird geschlafen. Das hat für mich etwas sehr beruhigendes. Das Testbild male und zeichne ich nach wie vor oft.

Nun gut, ich habe die Kontaktdaten weitergeleitet bekommen, verhandeln sollte ich selber. Wir verabredeten uns mit dem Interessenten in seiner Wohnung. Ich stand vor einer hübschen Villa und musste lange klingeln, da die Besitzer im Garten waren. Es entwickelte sich ein recht entspannter Nachmittag. Wir tranken, aßen mit dem Ehepaar und hatten wahnsinnig viele Themen, um uns zu unterhalten. Unter anderem meinte der Käufer, dass er sich in dem Entschluss die Bilder zu kaufen sehr bestärkt fühlte, als er meine Website sah. Als Begrüßungsbild saß ich damals mit dem Rechner in der Badewanne. Okay, definitiv eine Kreative, sagte er zu sich. Es hat sich herausgestellt, dass das Paar das Ehepaar Rindchen ist, in Hamburg bekannt auch unter Rindchen´s Weinkontor. Ein großer Weinhandel, mit zahlreichen Filialen auch außerhalb von Hamburg. Sie haben gerade ihr Unternehmen verkauft, eine neue Gesellschaft gegründet und spannende neue Projekte am Start. Seit dem habe ich mehrere Brandings gemacht, zwei Webseiten und zahlreiche Weinetiketten für Eigenmarken gestaltet. Den Affen tauften sie Erwin und hängten ihn samt Testbild über das Klavier. Soviel zum Zufall. Zufall klopft nicht nur einfach an der Tür, es möchte auch etwas zu sehen bekommen.
