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Yaaay! It´s my birthday. Kein Scheiß. Und auch noch tagesaktuell. Während ihr das liest, schlürfe ich irgendwo Champagner. Und morgens gab es Rosinenbrötchen mit Käse und selbstverständlich auch Ruinart rosé, sowie frischen Pfefferminztee. Falls ihr denkt, ich bin so eine, die an ihrem Geburtstag alle anderen beschenkt, vergesst es. Ich nehme eher alles an. Chanel, Gucci und Apple stellt auch Gutscheine aus. Her damit, hehe.

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Wie ihr merkt mag ich meinen Geburtstag. Dass es so ist, ist mehr als okay, dass es so kam, seltsam. Ich komme aus einer eher toxischen Familie und wie in jeder toxischen Beziehung kannst du den Ansprüchen nie gerecht werden, die an dich gestellt werden. Der Kampf um Liebe ist vollkommen aussichtslos. Ein ganz großes Fail ist schon mal gewesen, dass ich ein Mädchen bin. Kleiner Spoiler- alert: Dieses Elternpaar hat nie Söhne produziert. Wie dem auch sei, als Mädchen kann man nichts werden, außer man hat einen vernünftigen Mann an der Seite. Mach dich schon mal auf den Weg Frodo. Zum Geburtstag wurde auch nichts geschenkt was man sich wünscht (ich habe Bücherlisten geschrieben), sondern das, was für die Familie cool wäre. Irgendein Silberbesteck, oder komplizierte Vasen, mit dem Hinweis man könne sie später vererben. 

Ich weiß nicht wie und warum das so ist, aber ich war schon als Kind immun gegen so manche Dogmen. Es hat weh getan so behandelt zu werden, aber Haushalt ist nicht mein Lebensinhalt, dachte ich mir schon damals. Es war mir zu erschöpfend. Die Arbeit hört zwar nie auf, aber so richtig neues dazu lernen tut man dabei nicht. Und auch mit stärksten Reinigungsmitteln und schönsten Putzlappen in der Hand findet man keine Liebe, dort wo vorher keine war. Ich ging stattdessen nach draußen und stopfte mir, wie jedes Kind, lieber Steinchen in die Nase. Oder baute Schiffchen für den Wasserkanal. Oder kritzelte was in Notizbüchern. Meine ewigen Begleiter, seitdem ich Stifte halten kann.

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In der Stadt in der ich geboren worden bin, gab es zu meinem Geburtstag ein Stadtfest. Wie geil, dachte ich. Ne ganze Stadt feiert meinen Geburtstag. Es war noch warm, konnte noch in Sandalen durch die Gegend laufen und mir den Rummel angucken. Okay klar, ich brauchte ein bisschen mehr liebevolle Aufmerksamkeit als ich bekam, aber ist es nicht funky, dass man plötzlich überall positive Zeichen sieht und sich nicht nur auf das schlechte konzentriert? Mit steigender Sauferfahrung habe ich es übrigens dann mit dem Oktoberfest gemacht. Ist ja kurz VOR meinem Geburtstag. Erklärt auch die überbordende Anzahl an Dirndl in meinem Keller.

Die Familienkonstellation führte dazu, dass ich lange krank war. (Und dennoch funktionierte. Hört hin, wenn ein naher Mensch sich euch anvertraut und sagt nicht: Ach was. Schwerkranke Menschen funktionieren wie eine Stechuhr.) Schwer körperlich und schwer physisch. Es gab einen Peak, aber auch eine Phase des einfach Krankseins. Und seltsamerweise habe ich immer an meinem Geburtstag gedacht: Ach guck, so schlimm wie letztes Jahr fühlst du dich gar nicht. Und es stimmt. Ich wollte ja nie, dass es mir beschissen geht und habe in kleinen Schritten daran gearbeitet, dass es nicht so ist. Und irgendwie hat es sich verknüpft, dass ich am Geburtstag einen hellen warmen Punkt erkenne und das ganze Jahr über versuche mehr vom kuscheligen Gefühl im Inneren anzureichern. 

Und siehe da, das ganz große Gruselkabinett ist nicht mehr der Teil meines Lebens.

Ich bin dem Blödsinn sehr zugetan und würde mir immer noch gerne Steinchen in die Nase schieben. Mit so vielem lag ich auch schon als Kind nicht verkehrt. Manchmal denke ich, wenn es jetzt vorbei ist, ist es okay. Ich bin glücklich, und zwar nicht wegen Dingen, die mir eingetrichtert worden sind. Ich habe keine strahlende Beziehung, keine Kinder, die in Harvard studieren werden und mein Konto quillt nicht vor Kohle über. Mein Alltag macht aber krass viel Spaß. Ich stehe jeden Morgen auf und sage zur Karl: Heute machen wir nur geiles Zeug. Und das machen wir dann auch.

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Karl schmatzt zufrieden und stimmt mir zu, denn er kriegt gleich eine Portion Leberwurst in der eine Tablette versteckt ist. Die Tablette nimmt er hin und tut so, als hätte er nichts bemerkt.

Der Spaß kam unter anderem mit dem richtigen Beruf. Meine Umgebung erklärte mich mit dem Beginn des Zweitstudiums für absolut verrückt. Es war nicht leicht ohne Rückhalt. Aber es war ein Zustand den ich bereits kannte. Wenn man alleine stolpert, holt sich zumindest eine Person blauen Fleck und nicht mehrere, dachte ich mir damals. Und wunderte mich, dass immer mehr kuscheliges in mir anreicherte. Gute Gefühle und auch gute Gedanken.

Heute gucke ich mir bis zum Erbrechen gerne Sachen an und habe leicht autistische Züge: ich Kann tagelang mich verkrümeln und an meinem eigenen Zeug werkeln. Hoffentlich irgendwann mit einem lockeren Verbund von kreativen Köpfen, mit welchen wir zusammen an Problemstellungen tüfteln. Das wird schwer gut. Denn das was Kreative besonders gut können ist nicht zeichnen, sondern sehen und bemerken. Aber ich kritzele euch trotzdem noch mit 180 Jahren die Wände voll, hehe. Also sind es besser Aufträge, damit es auch gewollt ist.

 

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Zum Geburtstag schenke ich mir selbst (unter anderem) ein paar Typo-Onlinekurse. Ich sehe meine Kollegin Kati schon mit den Augen rollen. Ich ballere sie ja jetzt bereits mit Ideen und Zeichnungen zu.

Das war nun ein sehr persönlicher Newsletter. Aber ihr arbeitet und seht online ja auch einem Menschen beim arbeiten zu und keinem gefühllosen Betonpfeilerchen. Sorry Betonpfeilerchen, jetzt nicht vor lauter Diss bröckeln. Ich gehe nun feiern. Und her mit den Geschenken! Ich meine es ernst 😎🥂

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